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Entrepreneurial Research

  • Linnie von Sky: Eine Entrepreneurin, wie sie im Kinderbuche steht

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In kreativer Hinsicht sind Phantasie und Reisen eine explosive Mischung. An einem wolkigen Novembertag 2011 stimmte das Mischverhältnis und es zündete 10 Kilometer hoch über den Baumspitzen von Kanada. Linnie von Sky hatte plötzlich die Handlung im Kopf, doch weder Tipp- noch Touch-Gerät zur Hand. So schrieb sie ihre erste Geschichte für Kinder einfach auf die drei Kotztüten ihrer Sitzreihe im Flugzeug.

Wieder am Boden, las Linnie in den folgenden Monaten ihren Freunden und Bekannten die Geschichte vor: Zwei Hasen, er aus Mexiko, sie aus Frankreich, ziehen nach Kanada und erleben am eigenen Fell, was es heißt, ein Immigrant zu sein. Linnie ist selbst mit 20 aus Deutschland aus- und nach Kanada eingewandert, mit ihren Eltern. Ihr Freund und mittlerweile Ehemann Nico folgte ihr aus Berlin nach Vancouver. Auf Partys wurde die Geschichte zum Renner. Nico sagte immer zu Linnie: «Schatzi, hol doch mal deine Kotztüten raus.»

Mit Büchern was unternehmen

Linnie hat lange studiert: Kommunikationswissenschaften, Marketing, Design – alles mit Abschluss. Aber die Idee des Angestelltendaseins zündete nicht bei ihr. So traf sie den Entschluss, aus ihrer Geschichte im Alleingang ein Buch zu machen, es zu drucken und zu vertreiben. Ihr Mann wartete damals noch auf seine kanadische Arbeitserlaubnis und hatte so Zeit für Tabellenkalkulationen, während Linnie berufshalber mit dem Kopf in den Wolken unterwegs war.

Die handgeschriebenen Worte waren flugs abgetippt, aber Bilder fehlten. Durch Zufall lernte Linnie Rebecca Wright kennen, eine damals 19 Jahre junge Illustratorin. Rebecca brauchte Geld für die Kunsthochschule, was Linnie auf die Idee brachte: Rebecca illustrierte das Buch, dafür finanzierte Linnie Rebecca das erste Studienjahr. Die unternehmungsfreudige Autorin hat, wie sie sagt, kein Problem damit, Leute zu bezahlen, die ihre Vision unterstützen.

«Am Anfang bezahlt man erstmal alle, außer sich selbst. Für mich bleibt wenigstens der Lerneffekt.» Doch am Ende bleibt noch viel mehr: wirtschaftlich betrachtet, die Investition in ein skalierbares Produkt. Und künstlerisch gesehen, ein fertiges eigenes Werk. Aber nur für den, der die Anfangsschmerzen auf sich nimmt und «sich täglich reinknabbert».

Crowdfunding für Unbekanntes ist Betteln 2.0

Denn Manuskript und Zeichnungen sind noch lange kein Buch. Aufbereitung, Gestaltung und Druck kosten Geld und das fehlte an allen Enden, nachdem die Illustratorin bezahlt war. Ein Bekannter erzählte Linnie von der Crowdfunding-Plattform Indiegogo und rasch wurde aus der Autorin und Verlegerin eine Fundraiserin, Klinkenputzen zum Vollzeitjob.

Hände schütteln, Postkarten verteilen, E-Mails an alle Freunde, Bekannte und Freundesfreunde schreiben, dauernd in sozialen Netzwerken posten, Journalisten anschreiben und dabei immer lächeln und zutiefst überzeugt und begeistert vom eigenen Projekt sein. Gelegentlich Ablehnung wegstecken. All das bedeutet Crowdfunding für noch unbekannte Projekte. Plattformen wie Indiegogo oder Kickstarter bieten nur die technische Infrastruktur, plus etwas Stammpublikum. Aber auch das Stammpublikum will erstmal überzeugt werden. Linnie von Sky resümiert: «Man ist offiziell am Betteln.»

Qualität rechnet sich eher langfristig

Das Ziel von 10.000 kanadischen Dollar wurde innerhalb des angepeilten Monats erreicht, deckte unterm Strich aber nicht die Produktionskosten. Linnie war klar, dass sich die erste 2000er-Auflage ihres ersten Buches nicht rechnen würde.

Doch ihr war ebenso das Potenzial ihres unabhängigen Verlegertums klar: Qualitätsprodukte schaffen (wertvolle Inhalte, Hardcoverbücher mit extra dickem Papier, liebevoll gestaltet, ein literarisch-bildliches wie haptisches Erlebnis printed in Canada), zudem keine Schulden aufnehmen und sämtliche Einnahmen durch Verkäufe und Crowdfunding in ihre Eigenmarke «Linnie von Sky» reinvestieren.

Und fokussiert weitermachen: nur an die wichtigen inhaltlichen und unternehmerischen Entscheidungen denken, ohne sich darüber hinaus den Kopf zu zerbrechen. Irgendwann würde sie schon ein größeres Publikum erreichen, da ist sich Linnie sicher. In höherer Stückzahl liegt bei Qualitätsprodukten die Marge auch höher als beim preissensitiven Mittelmaß.

Sprungbrett in tiefe Themen

Nach der Immigrationsgeschichte «Our Canadian Love Story» handelt Linnies zweites Buch «Pom Pom – a Flightless Bully Tale» vom Mobbing unter Kindern am Beispiel von Übergewicht. Es erscheint dieser Tage. Linnies drittes Buch «Sadly the Owl» ist bereits geschrieben. Diesmal geht es um Depressionen, weil die Autorin den gesellschaftlichen Umgang mit der Krankheit weiter enttabuisieren möchte. Damit kann man gar nicht früh genug beginnen. Und Themen wie Traurigkeit oder die Beziehung zu Mama und Papa verstehen die Kleinen ohnehin, finden Linnie und ihre (Vor-)Leser. Die Autorin versteht ihre Werke eben nicht nur als Bilderbuch-Unterhaltung für Kleine ab 3 Jahre, sondern auch als Eisbrecher und Einstieg in schwierige Themen für Große.

Do it yourself again

Auch beim aktuellen, dritten Buchprojekt (hier geht’s zum Crowdfunding) hält Linnie wieder alle Fäden in der Hand. Ihr Team ist bereits eingespielt und wenn doch mal jemand ausfällt, dreht und schneidet sie Pitchvideos eben selbst und baut ihre neue Website. Zum Glück hat sie von alldem in ihren unterschiedlichen Studiengängen etwas gelernt. Was anfangs nach Uni-Patchwork aussah (Kommunikation, Design, Marketing), fügt sich nun zu einem unternehmerischen Ganzen zusammen.

So langsam versteht auch Linnies deutsches Umfeld, dass künstlerisches Unternehmertum keine Träumerei, sondern solides Handwerk und schlichtweg harte Arbeit ist. Das Schreiben der Geschichten macht zeitlich jedenfalls den geringsten Anteil der ganzen Bucharbeit aus. Anfangs bekam die Autorin von ihren deutschen Freunden und Verwandten noch «rational die paar Vorteile, aber vor allem die Nachteile um die Ohren geknallt». Aus Kanada (das der amerikanischen Kultur sehr viel näher steht als der europäischen) kamen fast nur optimistische Töne.

Auch für das dritte Buch wird Linnie den Druckauftrag selbst erteilen, wieder wird der Lieferwagen vorfahren und palettenweise frisch gedruckte Bücher bei den von Skys abladen, wieder wird Linnie die Bücher persönlich zu den Buchhändlern bringen, zu denen sie schon ein Vertriebsnetz aufgebaut hat. Und wieder wird sie versuchen, neue Verkaufsstellen zu gewinnen.

Bei Letzterem fühlt sich Linnie wie eine literarische Staubsauger-Verkäuferin. Aber die Tatsache, dass sie ganz unten angefangen hat und jeden Schritt, jedes kleinste Detail selbst beherrscht, verleiht ihr mehr Souveränität. Diese soll ihr dann später helfen, die Kontrolle zu behalten, wenn ihre Produkte eines Tages skalieren.

Jenseits von Vancouver

Momentan sind Linnies Bücher nur auf Englisch in diesen Buchhandlungen erhältlich. Neu kommen Buchhandlungen in British Columbia hinzu. Auch 2015 wird es auf der Buchmesse in New York wieder eine eigene Halle für unabhängige Verlage geben, diesmal wird Linnie mit eigenem Stand und ihren drei Büchern präsent sein. Auf solchen Messen werden zum Beispiel auch Übersetzungsrechte verkauft. Was als «happy little project» anfing, könnte zu einem happy big project werden. Groß ist jetzt schon Linnies Freude über das «schöne Gefühl, etwas zu geben, was Eltern mit ihren Kindern teilen können».

[Dezember 2014, Bildnachweis © Linnie von Sky]