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  • Umgang mit Fehlern: Am Beispiel der Formel 1

“What’s happening guys? I’ve lost this race, haven’t I?”
– Lewis Hamilton beim Großen Preis von Monaco 2015

In jeder Organisation passieren Fehler. Gerade junge und schnell wachsende Unternehmen sind anfällig dafür, weil sie sich oft in einem äußerst dynamischen Umfeld bewegen. In diesem Kontext ist auch das Eingangszitat zu verstehen, denn ein modernes Formel-1-Rennen verlangt von einem Rennteam Entscheidungen in hoher Frequenz, unter hohem Zeitdruck und mit unvollständigen Informationen. Eine ganz alltägliche Situation in Startups also.

Welche Folgen Fehler haben können, hat Lewis Hamilton an jenem Nachmittag in Monaco erfahren müssen. Kurz vor Rennende, deutlich an erster Position liegend, bog er in einer unerwarteten Safety-Car-Phase in die Box ab. Man ging davon aus, dass der Vorsprung groß genug sei, um trotz Reifenwechsel in Führung zu bleiben. Tatsächlich kam Hamilton als Dritter auf die Strecke zurück, konnte bis zum Rennende nicht mehr überholen und vergab somit einen sicheren prestigeträchtigen Sieg.

Fehler lauern überall

Dieser Vorfall zeigt zunächst einmal, dass auch den Besten gravierende Fehler passieren – immerhin ist Hamiltons Mercedes AMG-F1-Team nicht nur amtierender Weltmeister, sondern auch finanziell und personell bestens ausgestattet. Und in einem Umfeld mit hoher Leistungsdichte entscheiden oftmals Anzahl und Qualität der Fehler darüber, ob man aufs Siegertreppchen kommt oder das Rennen vorzeitig beenden muss. Ein solches Umfeld finden nicht nur Rennteams auf der Strecke, sondern auch Unternehmen in ihren Märkten vor.

Darum muss sichergestellt werden, dass sich gravierende Fehler nicht wiederholen. Hierfür gibt es grundsätzlich drei Strategien: 1. Den Fehler ignorieren und hoffen, dass er nie wieder passiert. 2. Den Verantwortlichen finden. 3. Aus dem Fehler lernen. Strategie 1 ist zwar am einfachsten umzusetzen, aber wenig erfolgversprechend. Doch wann sollte man Strategie 2 oder Strategie 3 wählen? Oder warum nicht einfach beide umsetzen?

Nicht den einen Schuldigen suchen

“Welcher Idiot hat denn diesen Boxenstopp veranlasst?” Das fragten sich die meisten Zuschauer, als deutlich wurde, dass Lewis Hamilton einen klaren Sieg vergeben hat. Die Suche nach dem Verantwortlichen ist demnach auch eine gern verwendete Strategie – jedoch mit einem gravierenden Nachteil: Sie impliziert, dass eine einzelne Person den Fehler verursacht hat, was fast nie der Fall ist. Dies verhindert wiederum, dass die tatsächliche Ursache ermittelt wird. Maßnahmen zur zukünftigen Fehlervermeidung beschränken sich dann darauf, den vermeintlichen Verursacher davon abzuhalten, das Fehlverhalten zu wiederholen. Je nach Organisation wird dies wahlweise durch eine Schulung oder eine Kündigung realisiert. Beides mit oft unbefriedigendem Ergebnis: Eine Schulung ist bei komplexen oder neuartigen Problemen oft unmöglich und eine Kündigung ist kein Garant dafür, dass die nächste Person in der gleichen Position den gleichen Fehler nicht wiederholt.

Besser den Fehler im Getriebe finden

Aus dem Fehler zu lernen ist sicherlich die Strategie mit dem größten Nutzen. Allerdings erfordert dieser Weg einen oft überraschend hohen Aufwand. Denn das Lernen aus einem Fehler besteht aus zwei Phasen. Zunächst muss die gesamte Kausal- und Wirkungskette verstanden werden. Die Schwierigkeit in jungen Unternehmen besteht dabei zum einen darin, dass Prozesse oft nicht dokumentiert sind und daher zunächst ermittelt werden müssen. Zum anderen sind fast immer technisch komplexe Hilfsmittel im Spiel, deren Funktionsweise zunächst durchdrungen werden muss. Das hat zur Folge, dass vor dem Lernen aus dem Fehler ein ganz grundsätzliches Lernen steht; nämlich das Erforschen der Mechanismen und Prozesse, die zu dem Fehler geführt haben.

Die zweite Phase ist nicht weniger schwierig: In der ermittelten Kausal- und Wirkungskette muss jenes Glied (oder mehrere) ermittelt werden, das am eindeutigsten auf den Fehler hinweist und das gleichzeitig so modifiziert werden muss, dass der Fehler in Zukunft nicht wieder auftritt.

Fehlersuchkompetenz als Wettbewerbsvorteil

So menschlich es auch ist: Die Suche nach dem einen Schuldigen bringt nichts. Man wird sicher jemanden finden, aber in den meisten Fällen hilft das bei der Vermeidung von ähnlichen Fehlern wenig. Und die Suche nach dem Schuldigen wird von Mal zu Mal schwieriger, weil es dazu führt, dass Menschen reihum immer erst auf andere zeigen.

Dem Fehler auf den Grund zu gehen, ist nicht einfach und erfordert große Lernbereitschaft. Aber die lohnt sich: Man bekommt einen besseren Eindruck von den Prozessen und Herausforderungen des eigenen Geschäfts. Wer also eine gute Methode findet, Fehler nachhaltig zu vermeiden, der kann sogar die Konkurrenz überholen.

PS

Wer wissen möchte, wie es zu Lewis Hamiltons Boxenstopp kam, kann die (recht komplexe) Analyse hier nachlesen.

[Juli 2015]